Küster Norbert Rösler betrat, zur Vorbereitung der Ostervigilfeier, die Marienkirche kurz vor 5 Uhr. Es war trotzt eingeschalteter Beleuchtung etwas schummrig. Als er sich der Sakristei nähert traut er seinen Augen kaum. Ist ein Trugbild oder Wahrheit? „Ich sah im Halbdunkel eine schnaufende riesige Schildkröte vor der Sakristeitür“ sagt Norbert Rösler. Was war geschehen? Pastorin Friederike Tauscher erklärt: „Als ich die Sakristeitür aufschloss, hörte ich ein bis dato unbekanntes rauschendes Geräusch über mir. Es wurde mit einem Schlag stockdunkel. Ich fiel zu Boden und hatte das Gefühl in einen Sack gesteckt worden zu sein. Ein staubiger, ekliger Geschmack erfüllte meinen Mund. Es nahm mir fast den Atem. Ich geriet in Panik.“ Die Pastorin hat keine Ahnung wie lange sie so gelegen hat, ihr ist kalt, sie hat Angst. Endlich hört sie, durch die sie umgebende Hülle, die stark gedämpfte erlösende Stimme des Küsters. „Was ist denn hier los!? Das kann doch nicht wahr sein! Und das zu Ostern!“ An diesem Ostermorgen war das Gemälde des Präpositus Andreas Ritter und seiner Schwiegersöhne, welches seit etwa 115 Jahren ungerahmt über Sakristeitür hing heruntergefallen.
Wahrheit oder Trugbild? Glücklicherweise ist obiger Text nur eine fiktive Geschichte. Was hätte nicht alles passieren können?!
Bei der Restaurierungsmaßnahme der Wandmalereien im Bauabschnitt 2016 musste das Bild abgenommen und zwischengelagert werden. Es wurde von den Restauratoren Gramann, Schwieger und Weiß vorsichtig vom Haken abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass es nur noch am sprichwörtlichen „seidenem Faden“ gehangen hatte. Über kurz oder lang wäre es abgestürzt! Noch auf dem Gerüst, wurde das Gemälde (3,05 m x 1,8 m) in einen Hilfsrahmen mittels Spannbacken und Schnur eingespannt. In diesem Zustand wurde es im südlichen Langhaus der Kirche aufgestellt.
Im Jahr 2017 schrieb sich der Archivausschuss der Kirchengemeinde auf die Fahne, die Restaurierung des „Ritterbildes“ zu unterstützen. Es wurde eine Erklärungstafel mit Beleuchtung vor dem Bild angebracht, um Spenden gebeten und Überweisungsträger ausgelegt. So stand es nun und wartete auf seine Restaurierung. Im Laufe des Jahres gingen einige Spenden ein. Aber bei weitem noch nicht genug, um auch nur an einen Restaurierungsbeginn zu denken. Im Jahr 2018 erreichte unseren damaligen Pastor Dr. Jörn Kiefer die Information, dass es wohl eine Fördermöglichkeit für das Gemälde gibt. Mit Unterstützung von Restaurator Andreas Weiß aus Teschvitz und Kunsthistorikerin Beate Eckert aus Moritzdorf konnte ein Fördermittelantrag durch den Vorsitzenden des Kirchengemeinderates Bergen auf den Weg gebracht werden. Hilfreich hierfür waren die im Jahr 2017 eingeworbenen Spenden, mit diesen konnte der Eigenanteil der Kirchengemeinde an der Fördermaßnahme ausgewiesen werden. Die Zuwendung des Landes betrug 13.500 Euro.
Zu Beginn des Jahres 2020 konnte das Gemälde durch die, inzwischen mit der Reinigung und Konservierung beauftragte, Restauratorin Jenny Luise Heymel zur Restaurierung aus Bergen abgeholt werden. Bis zum Juni erfolgte die Reinigung und Konservierung des Bildes. „Es waren mehr Kittungen erforderlich als ursprünglich geplant“ sagt die Restauratorin bei der Abnahme ihrer Leistung. Welch ein Unterschied zum vorherigen Zustand. Sauber und ohne Wellen präsentieren sich der Präpositus Andreas Ritter, Pastor Johann-Jakob Pistorius, Pastor Brandanus Gebhardi und Pastor Christian Anton Brunnemann. Einzig die Kittstellen und der Hilfsrahmen signalisierten: Hier ist noch etwas zu tun!
Aber auch hier kam eine unerwartete Lösung. Ich wurde von jemanden angesprochen, der ein Projekt der Kirchengemeinde unterstützen wollte. Auch mit einer größeren Summe. Und diese Summe kamen tatsächlich, in mehreren Raten, von einer großzügigen Familie. Dadurch wurde die Restaurierung (Retusche) und die Rahmung möglich.
Am 24. März 2021 konnte das Gemälde zurück in die Marienkirche gebracht werden. Hier hatte es eine Woche Zeit sich an das Kirchenklima zu gewöhnen. Am 30. März wurde es von der Restauratorin und vier Helfern an der ursprünglichen Stelle über der Sakristeitür angebracht. Nun kann die Frage der Beleuchtung des Bildes geklärt werden. Dafür ist noch Spendengeld übrig.
Pastorin Friederike Tauscher freut sich über die Rückkehr des Bildes, und hat es im Gottesdienst am 11. April begrüßt.
Diese erfolgreiche Maßnahme gibt uns den Mut auch weiterhin Dinge „abzustauben“.